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„Haben Pflanzen auch keine Moral, so pflegen sie doch gesellschaftliche Umgangsformen.“ — Linné
Diese Aufzeichnungen handeln von der Flora, die ohne gärtnerisches Zutun im Park Schloss Benrath siedelt. Um sie zu beschreiben, verbinde ich wissenschaftliche Fakten mit persönlichen Kenntnissen und Betrachtungen. Ich möchte den meist niedrigen, grünen Lebewesen möglichst nahe kommen und uns die Erkenntnisse der scienzia amabilis, der lieblichen Wissenschaft der Botanik als Spiegel vorhalten.
Nach dem bisherigen Stand der Kenntnisse teilen wir uns zwei Drittel der Gene mit Pflanzen. Pflanzen sind aber wie Menschen nicht nur Ergebnis von Genen, physikalischer Einwirkungen und innerer Gestaltungsvorgaben, sondern soziale Lebewesen. Die Pflanzengesellschaft um sie herum, ihre mannigfaltigen biochemischen Kontakte, ihre Rangeleien, Hackordnungen und gegenseitige Unterstützung, ihre Poeten und Rambos: sie beeinflussen sich gegenseitig und beeinflussen uns. Trotz ausgeklügelter, sehr origineller Abwehrstrategien, mit denen sie sich untereinander schaden können, mit denen sie Tiere und Insekten vertreiben, sogar töten — gegebenenfalls auch uns — vereinigen sie sich zu funktionierenden hochkomplexen und wohlorganisierten Gemeinschaften, die solche Ruhe und Wohlbefinden ausstrahlen, dass gestresste Städter sie aufsuchen und entspannen. Wie sie das bewerkstelligen, gibt der pflanzensoziologischen und der ökologischen Forschung noch lange Rätsel auf.
Wilde Wiesen- und Mattenbildende Grünpflanzen aus unterschiedlichsten Pflanzenfamilien gedeihen fast überall dort, wo Gärtner ihnen Raum lassen. Sie drängen sich zwischen Blumenstauden und Gemüse, sie leben im Wald, sofern noch Licht hineinfällt, überstehen an Wegrändern die Tritte der Parkbesucher, sie ruinieren gepflasterte Wege und brechen Asphalt auf. Mit erstaunlicher Kraft umgehen sie jedes Hindernis und drängen nach dem Licht. Sie halten den Boden intakt, dienen Säugetieren, Vögeln und Insekten als Wohnstatt und als Nahrungsquelle. Viele von ihnen sind vergessene Heil- und Lebensmittel.
Die spontane niedrigwüchsige Flora setzt sich aus einheimischen und eingebürgerten Wildpflanzen zusammen. Anders als langlebige Blumen, Sträucher und Bäume befinden sie sich in zum Teil rasanter Entwicklung. Sie machen uns staunen über Einfallsreichtum und Variabilität ihrer Blattformen, mit denen sie meist ein und zwei, manchmal auch mehrere Jahre prächtig leben. Sie scheinen wie wir Menschen jede Gelegenheit zu nutzen, sich in Fülle und Freiheit zu gestalten. In der Blühphase bilden diese krautigen Pflanzen so unscheinbare Blüten wie die der Brennnesseln aus und so auffällige wie manche der Lippenblütler. Blüten sind zwar fortpflanzungstechnisch der Höhepunkt des Pflanzenlebens, da sie die neue Generation vorbereiten, sie sind dennoch nur ein kurzer Moment in einem viel längeren kreativen Dasein, dem außer Paarung offensichtlich noch andere Beweggründe unterliegen.
Walderdbeere
Fragaria vesca, Rosengewächse, Rosaceae, vesca = essbar
Die Walderdbeere, ein Heil- und Lebensmittel mit unverwechselbarem Geschmack, wächst vorzugsweise an Waldrändern und auf Lichtungen. Sie ist eine ausdauernde Pflanze, die außerordentlich schnell Ausläufer treibt.
Besonderheiten
Die Walderdbeere wurde schon von Ovid, Plinius und Vergil mit poetischen Zeilen bedacht, sie taucht in Sagen und Märchen auf. Pflanzen betrachtete man als Spiegel und Gleichnis des Heilsgeschehens, als Indikator für gute wie böse Mächte. Die Grenzlinien zwischen den Aspekten Heilpflanze, Zierpflanze, Nutz- oder Gewürzpflanze und Symbolpflanze verliefen häufig fließend oder lösten sich auf, da ein Aspekt den andern bedingen konnte. Hatte ein Kraut seinen Heilnutzen „bewiesen“ oder erblühte in einer besonderen Farbe, konnte es leicht Gegenstand gläubiger Verehrung werden oder als Symbol Bedeutung erlangen. Ihre Bedeutung ergibt sich schon allein aus der Tatsache, dass alle Pflanzen Geschenke Gottes an die Menschheit sind. So begleitet das Abbild der Erdbeere die Jungfrau Maria auf mittelalterlichen Tafelgemälden. Das Sortiment an Gartenerdbeeren verdanken wir ursprünglich aus Amerika stammenden Verwandten; die Walderdbeere ist nicht ihre Wildform.
Allgemeines
Die Walderdbeere gehört zu den Rosenblütlern, der Pflanzenfamilie des Genusses, des Duftes und der Farbe: Rosen, Kirschen, Mandeln, Äpfel, Birnen, Pflaumen, Brombeeren, Johannisbeeren, Mispeln, Quitten…! Sogar die Marmelade stammt ursprünglich hierher. Marmelo bezeichnet portugiesischen Quittenkäse, der Ausdruck wurde dann auf ähnliche Erzeugnisse übertragen. Allen Rosengewächsen gemeinsam sind zwittrige Blüten aus Kelch- und Blütenblättern, ihre Laubblätter stehen wechselständig an Stängeln und Zweigen und sind mit Nebenblättern versehen, alle übrigen Merkmale entsprechen eher Ausnahmen als Regeln, ein fast unüberschaubarer Gestaltenreichtum.
Beinwell
Symphytum, Borretschgewächse oder Raublattgewächse, Boraginaceae, gr. symphyein = zusammenwachsen
Wir finden sie häufig an feuchten Stellen, an Wiesenrändern und Bachufern. Es gibt mehrere Arten, die sich äußerlich ähneln.
Besonderheiten
Die sinnreichen Namen des Beinwell lassen auf seine Bedeutung in der Volksheilkunde schließen: Milchwurzel, Beinheil, Schadheilwurzel, Schwarzwurz, Wallwurz, Wundallheil und Comfrey. Er ist eine bis zu anderthalb Meter hoch wachsende Staude, die sich im größten Teil von Europa, in Westasien und Kleinasien wohlfühlt. Die Art Symphytum officinale gilt als Heilpflanze, die zu Salben verarbeitet und homöopathisch bereit gestellt wird.
Allgemeines
Jede Pflanze hat ihre „Persönlichkeit“, ihre eigenen Mengen und Zusammensetzungen an segensreichen Sekundärstoffen und an Heilkräften. Sie bildet sie in verschiedenen Organen aus, vermehrt und vermindert sie je nach Jahreszeiten, nach Entwicklungsstadium und Blühphase. Die Inhaltsstoffe schwanken sogar beträchtlich im Verlauf der Tageszeiten. Pflanzen interagieren mit der eigenen Mikroflora, mit der umgebenden Makroflora, mit der Bodenbeschaffenheit. Sie werden wesentlich beeinflusst oder beeinträchtigt von zuviel und zuwenig Licht, von Luftverschmutzung und unzähligen weiteren Umwelteinflüssen. Die Hersteller von phytotherapeutischen Präparaten, von homöopathischen Mitteln und von Bachblüten differenzieren sehr sensibel die Wirkungsweisen von Knospen, Blüten, oberen blühenden Pflanzenteilen, Blättern, Zweigen, Trieben, Stängel, Wurzel oder Rhizome. Wir Normalsterblichen mit weniger Expertenwissen haben aber genug Sinne, um uns empathisch in Pflanzen hineinzuversetzen und etwas von ihnen zu spüren oder zu ?vernehmen?
Hopfen
Humulus lupulus, Familie der Hanfgewächse, Cannabaceae.
Rechtswindende Liane, sie kommt wild in Auenwäldern Mitteleuropas vor. Es gibt weibliche und männliche Pflanzen. Für Bier werden die weiblichen Pflanzen angebaut.
Besonderheiten
In der Nähe des Rosengartens, in Bäumen hängen die Triebe des Hopfens, die mehrere Meter hoch ranken können. Das klingt einfach, aber wie funktioniert es? Bis zur Ausbildung der ersten wenigen Blätter wächst der Hopfen gerade hoch, dann beginnt das Wunder: er sucht einen Halt, eine Hopfenstange, ein Gewächs. Ahnt er die Stange? Sieht er sie? Riecht er sie? Der Hopfen tut nun so, als wolle er wieder bergab wachsen und beginnt langsam zu kreiseln — Durchschnittsgeschwindigkeit etwa zwei Stunden pro Spirale — waagrecht dreht er sich meterweit durch die Luft, bis er dort landet, wo er hinwollte, so wie er es „vorausberechnet“ hat. Wie ist es für den Hopfen, ins Ungewisse zu „hüpfen“?
Zaunrübe
Die zweihäusige Zaunrübe, Bryonia dioica, Familie der Kürbisgewächse, Cucurbitaceae, ist eine alte Gift- und Heilpflanze. Sie lebt neben im Park dem Hopfen, über eine Tanne gelehnt. Die weiblichen Pflanzen entwickeln scharlachrote Beeren.
Besonderheiten
Die Zaunrübe ist die einzige mitteleuropäische Variante der vielgestaltigen Familie der Kürbisgewächse. Sie klettert mit ihren Ranken an Zäunen und Waldrändern drei bis vier Meter empor. Im Boden steckt eine rübenähnliche Pfahlwurzel, über dem Boden erheben sich verholzte Teile, die in meterlange weiche, saftige Stängel übergehen. Ihre Zweige und eckigen, gelappten Blätter bilden sich nach Bedarf in Ranken um. Rankenspitzen empfinden Berührung und reagieren darauf. Es sind Sinnesorgane, vielleicht ähnlich empfindsam wie die Schnurrhaare von Katzen oder die kreisenden Stielaugen von Schnecken? Haben sie ein Gegenüber ertastet, krümmen sich die Rankenenden in wenigen Minuten und schlingen sich fest. Darauf hin verholzen sie recht schnell, um nicht mehr abrutschen zu können.
Knoblauchrauke
Alliaria petiolata, Familie der Kreuzblütler, Cruciferae.
Die Knoblauchrauke, auch Knoblauchhederich, trifft man häufig im Park wie überall in eher halbschattigem Gelände, im Wald, an Waldrändern, im Gebüsch, an Zäunen entlang. Die ersten Blätter kurz über dem Boden sind rundlich, alle nachfolgenden entwickeln spitze Dreiecksformen.
Besonderheiten
Sie sieht im jungen Stadium dem Gundermann ähnlich. Um die runden Blätter der Gundelrebe und der Knoblauchrauke auseinander zuhalten, empfiehlt es sich einfach hineinzubeißen: Die einen schmecken würzig, die andern „dunkel“, herb und leicht nach Knoblauch. Knoblauchrauke wächst an günstigen Standorten fast einen Meter hoch. Bis in die Blüteperiode hinein können zarte, immer heller werdende Blätter im mittleren und oberen Bereich abgenommen werden. Roh, gekocht oder in Öl eingelegt, die Blüten samt Stielchen roh oder frittiert, in jeder Version ergeben die Blätter, Blüten und Samenkapseln ein charakteristisches Gewürz.
Ampfer
Rumex, Knöterichgewächse, Polygonaceae.
Vom hohen Rhabarber bis zum kleinen Sauerampfer, alle Ampferpflanzen sind windblütig. Eine der häufigsten Wiesenampferpflanzen ist der krause Ampfer (Rumex crispus). Er wird etwa einen Meter hoch, man entdeckt ihn schnell auf verwildertem Gelände. Seine Blätter wirken kühlend und adstringierend. Pharmaindustrie und Homöopathie stellen Präparate aus Extrakten des Krautes, der Samen sowie aus dem frischen Rhizom her.
Besonderheiten
An zarten, beweglichen Blütenstielchen wachsen unscheinbare Blütenblätter, aus denen sich der Pollen locker in den Wind fallen und forttragen lässt. Die Frucht ist bei allen Knöterichgewächsen eine Nuss mit einem Samen, der über viele Jahre keimfähig bleibt. Um die Nussfrucht herum entwickeln sich flug- und schwimmtaugliche Verbreitungsorgane, auch Stacheln und Haken in allen möglichen Kombinationen. Von Weitem sieht ein herbstlicher Ampfer trocken und trostlos aus. Von Nahem jedoch, am besten mithilfe einer kleinen Handlupe, sieht man formvollendete Gebilde, die es kaum abwarten können, vom Stängelchengelenk abgeworfen und via Luft oder Wasser möglichst weit von der Mutterpflanze weggetrieben zu werden.
Klebriges Labkraut
Galium aparine, Rötegewächse, Rubiaceae; griechisch: gala = Milch
Die verschiedenen Labkräuter an feuchten und schattigen Stellen im Park entspringen einer Nebenlinie von einigen Tausend Arten der Rötegewächse, die hauptsächlich in tropischen Gefilden leben, wie z.B. der Chininbaum. In Mitteleuropa gedeihen die etwas unscheinbaren niederen Labkräuter wie Ackerröte (Sherardia), Meier (Asperula) und Labkraut (Galium). Sie bilden Nebenblätter, die sich in Funktion und Gestalt den eigentlichen schmalen Blättern angleichen. Von daher entsteht der Eindruck eines Blätterkreises um den Stängel.
Besonderheiten
Das bekannteste der sehr variablen Labkräuter ist der kleine Waldmeister (Galium odoratum), auch Maiblume genannt. Er wird traditionell der Maibowle zugesetzt und dank des Inhaltstoffes Cumarin ist er für Kopfweh am nächsten Tag verantwortlich. Ich ziehe es vor, einen Büschel Waldmeister ins Auto zu legen statt ihn zu trinken und wochen- ja monatelang den feinen Duft im Moment des Türöffnens vorbeiziehen zu lassen. Die anderen heimischen Labkräuter, Waldlabkraut, Sumpflabkraut, Kreuzlabkraut und klebriges Labkraut sind im frischen Zustand als Gemüse gut verträglich, im Alter werden sie hart und ungenießbar für Mensch und Tier. Bis anderthalb Meter zieht sich das klebrige Labkraut mit hakigen Spitzchen und Kletterhaaren an Nachbarpflanzen hoch, ohne diesen zu schaden. Auch die kugelförmigen grünen bis purpurnen Früchte sind rundum mit Hakenborsten versehen. Triebe, Blüten und Samen sind essbar. In der Apotheke handelt man das getrocknete Kraut als Galii aparinis herba oder auch Herba Aparinis.
Alle Galiumarten sind wertvoll. Die Presssäfte enthalten Lab, das Milch gerinnen lässt. Deshalb wurden sie früher — und heute wieder — bei der Käseherstellung eingesetzt. Da das Labkraut im modernen Ackerbau als gefürchtetes Unkraut gilt, gibt es in der Fachliteratur und im Internet makabere Hinweise zu ihrer Eindämmung oder Ausrottung mit Federzahnhackegge oder durch Abflemmen.
Lippenblütler
Im Park trifft man auf Mitglieder der Familie der Lippenblütler (Lamiaceae oder auch Labiatae), von denen ich Günzel, Gundermann und Taubnessel beschreiben werde. Lippenblütler wanderten aus dem Mittelmeer ein, sie nutzten die breiten Flusstäler der Südalpen als Wanderweg, überstiegen die Alpen, ohne alpentypische Formen zu entwickeln, kamen zu uns und reisten weiter durch Europa und Asien. Es ist eine riesige und beliebte Pflanzenfamilie mit zahlreichen duftenden Küchenkräutern und bewährten Heilpflanzen, denn zu ihr gehören Salbei, Rosmarin, Basilikum, Minze, Melisse, Andorn, Origano, Majoran, Thymian, Bohnenkraut, Gamander, Ziest, um nur die Bekanntesten aufzuzählen.
Diese büsche- und teppichbildenden Pflanzen sondern ihre Duftstoffe natürlich nicht für die Tomatensoße ab oder um in Seife und Parfüm zu enden, nicht nur, um Tiere anzulocken und wegzuekeln, sondern zum eigenen Bedarf und Nutzen, als Zwischen- und Endprodukte des Stoffwechsels, als Vorrat. Da Düfte sich subtil am Bewusstsein vorbeischleichen und unser Konsumverhalten mitsteuern, sind die betörenden Ausscheidungen der Blüten und Laubblätter Objekte verschiedenster Forschungszweige.
Ein simples Erkennungsmerkmal für Lippenblütler bieten Stängel und Zweige: sie sind vierkantig. Die Blätter unserer heimischen Arten stehen sich paarweise gegenüber. Nicht selten ist jeweils ein Blatt des Blattpaares größer, am Grund sind die Blätter behaart oder wenigstens bewimpert. Und an den Blüten merkt man, dass es Insektenpflanzen sind, denn sie sind ausnahmslos auffällig gefärbt und mit feinen Zeichnungen versehen.
Kriechender Günzel
Ajuga reptans, Lippenblütler, Lamiaceae, Labiatae.
Kriechender Günzel ist ein Lippenblütler und anerkanntes ein Heilmittel.
Besonderheiten
Bei Plinius hieß er noch in klassischen Latein Abiga, Günzel, der Name wurde im Vulgärlatein zu Ajuga verdreht. Seit den frühsten schriftlichen Zeugnissen wurde die Pflanze zur Wundbehandlung eingesetzt. Inzwischen hat man seine Qualitäten als biologisches Insektizid entdeckt. Er ist ein Bodendecker, der mit schwachbeblätterten oberirdischen Ausläufern in Gärten und an Waldrändern niedrige Teppiche aus dunkelgrünem bis purpurnem Blattwerk auslegt. Die essbaren Blüten verteilen sich in Quirlen auf der gesamten Sprossachse. In einem Werk von 1912 fand ich den treffenden Ausdruck für die Farbe der Günzelblüten: blitzendes Blau.
Taubnessel
Lamium album, Lamium purpureum, Lippenblütler, Lamiaceae, Labiatae, gr. lamos = Rachen wg. der Blütenform.
Die weiße Taubnessel mit weißlichen Blüten, deren Unterlippen olivgrün gesprenkelt sind, findet man kniehoch an Zäunen und an Wegen, an Mauern und auf Grasplätzen; wo sie ausgiebig von April bis Oktober blühen. Der Name Taubnessel kommt daher, dass ihre Blätter zwar denen der Brennnesseln ähneln, aber eben nicht brennen.
Besonderheiten
Sie bilden im tiefen Blütenschlund spürbare Mengen an Nektar, den ich den gerecht mit Insekten teile: es gibt genug Blüten für jeden. Die rosa-rot bis lila blühenden Blüten der andern Taubnesseln schmecken genauso gut, da sie sich in den meisten Aspekten kaum von der weißen unterscheiden.
Gundermann
Glechoma hederacea, Familie der Lippenblütler, Lamiaceae, Labiatae, die Blattform erinnert an eine Art „Münze“, gr. Glechon.
Auf dem Boden vor der Parkkapelle breitet sich Gundermann, häufig auch Gundelrebe genannt, aus. Die Entstehung des wissenschaftlichen Namens ist nicht mehr nachvollziehbar, dafür sind die deutschen um so beredter: Blauhuder, Buldermann, Donnerrebe, Egelkraut, Erdefeu, Erdkränzel, Guck durch den Zaun, Gundelkraut, Gunelreif, Heilrauf, Huder, Huderich, Kollermann, Kranzkraut, Katzenminze, Soldatenpetersilie, Stinkender Absatz, Totenkraut, Zaungucker, Zickelskräutlein. Es ist eine sehr häufig vorkommende, alte Heil- und Lebensmittelpflanze.
Besonderheiten
Sie gehörte zu den beiden von der heiligen Hildegard von Bingen besonders erwähnten Kräutern (Gundelrebe und das silbrige Gänsefingerkraut, Potentilla anserina). Ich vermute, dass die begnadete Ordensfrau vor die Tore ihres Klosters ging, um sie zu sammeln und sehr darauf geachtet haben wird, dass Gundelrebe und Fingerkraut nicht die Klostermauern überstiegen, denn beide wuchern, vor allem Gundelrebe überwuchert in Kürze große Flächen.
Ihr englischer Name alehoof erinnert daran, dass ihre Bitterstoffe zum Bierbrauen dienten, bevor der Hopfen im 17. Jahrhundert diese Rolle übernahm. Da sie in dichten Beständen mit bis zu einem Meter langen Ausläufern wächst, ist sie leicht zu finden. Das ganze Jahr über können Blätter geerntet und frisch als Gemüse und in Kräuterbutter oder getrocknet zu würzigem Kräutersalz verarbeitet werden. Sie gehört zum Repertoire der Bachblüten und der Homöopathie.
Wegerich
Plantago, Wegerichgewächse, Plantaginaceae, lat. planta = Fußsohle, -ago = Suffix f. Ähnlichkeit
Die drei häufigen Wegericharten, Spitzwegerich (Plantago lanceolata), großblättriger und mittlerer Wegerich (P. mayor und media), erkennt man an den gummiartigen Blattnerven.
Besonderheiten
Zerreißt man ein Blatt, leisten die elastischen Blattnerven Widerstand und hängen dann zu beiden Seiten etwas heraus. Je nach Gemütslage wirkt es amüsant oder stimmt nachdenklich. Die drei Wegeriche scheinen mit fast gleichen Inhaltsstoffen in unterschiedlichen Konzentrationen ausgestattet zu sein, auf grund derer die Pflanzen vielfältig genutzt werden. Eine praktische Anwendung findet der Wegerich als Einlegesohle im Stiefel bei langen Fußmärschen, denn die Gerbsäure des Blattes kann dazu verhelfen, ohne Blasen davonzukommen.
Allgemeines
Eine Pflanze ist aber nicht nur eine Ansammlung von mehr oder weniger wichtigen Inhaltsstoffen, sondern enthält „Bioinformation“, Energie und Licht. Vermutlich wird die Forschung mit zunehmenden Instrumentarien und Fragen neugieriger Querdenker noch viel entdecken! Das Licht, das lebende Zellen abstrahlen (Poppsche Biophotonen), entspricht Laserlicht und trägt wie Laserlicht Informationen in Lichtgeschwindigkeit weiter. Man nimmt an, dass die Biophotonen chemische Prozesse der Zellen steuern, sowohl innerhalb eines Organismus als auch zwischen verschiedenen Lebewesen. Der positive Effekt, der von den Pflanzen ausgeht, kann, logisch betrachtet, nicht an einem Inhaltsstoff liegen, der in einem grünen Zellbett ruht, sondern der Effekt beruht auf jeder Zelle und ihren Kommunikationsvorgängen, wobei das Wort Zelle eine trügerische Vorstellung hervorruft: ein lebloses Behältnis für Etwas. Dabei ist jede Zelle eines jeden Lebewesens ein lebendiger und vermutlich ziemlich intelligenter Organismus. Es reicht nicht, auf der Suche nach Inhaltsstoffen Zellen in Zentrifugen in Stücke zu reißen, es braucht Achtsamkeit und Gefühl, um lebendige Prozesse zu verstehen.
Knopfkraut Galinsoga ciliata/quadriradiata, Galinsoga parviflora, Korbblütler, Asteraceae.
Das behaarte, zottige Knopfkraut und sein Geschwister Franzosenkraut oder auch kleinblütiges Knopfkraut genannt, sind ergiebige und gut aussehende Lebensmittel. Die Gattung stammt aus dem tropischen und subtropischen Amerika.
Besonderheiten
Seit es die Seefahrt gibt, wurden die niedrigen, buschigen Arten über die ganze Welt verschleppt. Man nennt solche Ausreißer auch „botanische Flüchtlinge“. Kulinarisch ist es nicht nötig, das behaarte vom kleinblütigen Knopfkraut zu unterscheiden. Sie sehen sich zum verwechseln ähnlich und schmecken gleich gut. Das behaarte Knopfkraut tritt häufiger in Erscheinung, beide wachsen üppig an lehmigen, stickstoffreichen Stellen wie in Gärten, an Äckern oder an offenerdigen Straßenrändern, an Betonwänden, in vernachlässigten Rabatten und Blumenkästen, auf gestörtem Gelände, in jeder Zementritze in vermutlich allen Städten.
Allgemeines
Ohne Aufwand könnten diese absolut pflegeleichten Blumen ins Haus geholt, in gute Erde umgetopft, ab der nächsten Generation gegessen werden und in den eigenen vier Wänden dem „Sick building Syndrome“, dem „Syndrom der krankmachenden Häuser“ entgegen wirken. Wie viele Menschen leben zwischen Chemikalien verströmenden Baumaterialien und in versiegelten Häusern, abgeschieden von Pflanzen, Boden und Mikroorganismen! Uns aus dem Ökosystem herauszuisolieren und zwischen Beton und Asphalt zu pendeln, ist die Kehrseite der Moderne. Hielten wir uns lange in einem geschlossenen Raum auf, kämen wir an unseren eigenen Gasen und Ausdünstungen um. Holen wir Luft, ist es von Pflanzen hergestellter Sauerstoff. Pflanzen können noch mehr! Sie filtern Schadstoffe und bauen die diffusen Giftcocktails, die wir täglich einatmen, ab, ohne sich selber dabei umzubringen. In einer NASA-Studie 1 steht sinngemäß übersetzt: „Pflanzenwurzeln und die mit ihnen zusammenlebenden Mikroorganismen zerstören Schadstoffe, aber auch krankmachende Viren und Bakterien, indem sie nach und nach all diese Gifte aus der Luft aufnehmen, umwandeln und neues Pflanzengewebe bilden.“
Gänsedistel
Sonchus, Korbblütler, Asteracee, gr. sonchos = eine distelartige Pflanze
Die bis zu anderthalb Meter hohen Salatpflanzen lieben die Sonne, deshalb fand ich sie im Park im Gemüsegarten, wo kein Baum Schatten über sie wirft. Raue Gänsedistel (Sonchus asper), Kohl-Gänsedistel, (Sonchus oleraceus) und weitere Arten sind rund ums Jahr zu finden.
Besonderheiten
Jede der Gänsedistelarten schmeckt besser als gezüchtete Kopfsalate. Der Milchsaft in den Stängeln und in den Blattadern ist der heilkräftigste Teil der Pflanze. Er wirkt leicht beruhigend und krampflösend. Alles an der Pflanze ist essbar. Samen, Blüten, Blätter, Stängel, Wurzeln. Zum Sammeln empfehle ich bei der rauen Gänsedistel den Handtest: Streift man mit der Hand von unten nach oben über die Blätter und empfindet das Raue und Stechende an ihnen noch als erträglich, sind sie gut für den Salat; wenn es piekst und kratzt, gehören sie wenige Minuten in den Kochtopf.
Allgemeines
Die Legende will, dass Kräuterweiber und Schamanen auf der Suche nach Pflanzen viel herumlaufen. Sie pflücken einige Exemplare vor Ort, statt sie in ein Beet zu holen und massenhaft zu produzieren. Es ist tatsächlich nicht einfach, Wildpflanzen der gleichen Art zusammenzupferchen, denn sie leben lieber in Gesellschaft mit Anderen. Von den klugen Gewohnheiten pflanzenfressender Tiere und von „GHP“, Good Harvesting Practice, den Leitlinien für gute Sammelpraxis von Wildpflanzen, kann man lernen, genügsam Pflanzen abzuschneiden, oder nur Teile des Blattwerks zu vertilgen. Dies ist einerseits aus Gründen der Nachhaltigkeit geboten, aber auch wegen ihrer Verteidigungsfertigkeiten: Pflanzen helfen sich über Artengrenzen hinweg, wenn sie unter Stress geraten 2. Und sie können im Verlauf von zehn bis zwanzig Minuten über den Weg chemischer Information Fressfeinde den nächsten Pflanzen weitermelden. Daraufhin kurbeln alle die Giftproduktion an, die den Pflanzenspross für Wurm, Schnecke und Mensch weniger bekömmlich oder gar ungenießbar machen.
© Deva Wolfram
1 Interior Landscape Plants for Indoor Polution Abatement, 1989, in: Der Ruf der Rose, Dagny Kerner, Imre Kerner, 1994, Köln
2 Nature, 20. Juni 2002